Aus NW-Treff wird "Gesundheit persönlich - das Franziskus Hospital informiert"

In unserer traditionsreichen Veranstaltungsreihe in Kooperation mit der Neuen Westfälischen Zeitung haben wir bisher regelmäßig persönlich über Medizinthemen informiert. Diese Informationsabende sind leider coronabedingt für das gesamte Jahr 2020 ausgesetzt.

Dr. Peter Stuckardt, Moderator und Chefredakteur dieser Reihe, hat für unsere Patienten und Besucher einmal detailliert bei unseren Behandlern und Referenten nachgefragt. Ihre Antworten können Sie in den folgenden Reportageepisoden lesen: 

Herzlich willkommen bei unserer neuen Medizinreportage-Reihe
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Wählen Sie die einzelnen Episoden von Dr. Peter Stuckhard in der linken Navigation aus - viel Vergnügen beim Lesen.

 


 
Episode 1: Mit Blaulicht in die Harnblase | Dr. Andreas Hinkel

Die ernsthafte Sorge um seine Gesundheit stellte sich bei Friedhelm B. (57) nicht plötzlich, sondern eher schleichend ein. Zum wiederholten Mal war sein Urin nicht klar oder hellgelb, sondern eher rötlichbraun. Zudem war das Wasserlassen manchmal, aber nicht immer schmerzhaft. „Diese Anzeichen sollte man ernst nehmen und nicht darauf setzen, dass sie von allein verschwinden“ rät Dr. Andreas Hinkel, Chefarzt der Klinik für Urologie im Franziskus Hospital Bielefeld.

Denn die Verfärbung des Urins zeigt an, dass ihm Blut beigemischt ist.

Das kommt bei vielen Erkrankungen der Nieren oder der Harnwege vor. Aber Blut im Urin ist eben oft auch das erste Zeichen für einen bösartigen Blasentumor. Und für den gilt wie für die meisten Krebserkrankungen: Je früher sie erkannt und behandelt werden, desto größer sind die Chancen auf Heilung.

Wer also bewusst mit seiner Gesundheit umgeht, sucht bei anhaltenden Beschwerden seinen Hausarzt oder seine Hausärztin auf. Im Gespräch geht es dann zunächst um die Beschwerden, oft mit der Doktor-Frage „Was führt Sie zu mir?“ eingeleitet. Auch der Lebensstil wird den Arzt interessieren. Da empfiehlt es sich, die Karten auf den Tisch zu legen. Denn, so Hinkel klipp und klar: „Rauchen macht Blasenkrebs.“ Der Tabakkonsum ist in rund 70 Prozent aller Fälle die Ursache der Krankheit. Und das ist kein Wunder, wie Hinkel erläutert: Die krebserregenden Stoffe, die die Blasenschleimhaut schädigen, entstehen meist dort, wo etwas schwelend verbrennt. Beim Rauchen also. Über die Lunge und die Nieren landen diese Stoffe im Urin. Der wird in der Blase nicht nur gespeichert, er bleibt dort auch für einige Stunden. Hier entfalten die Krebserreger ihr schädliches Tun, bis sie ausgeschieden werden. 

Das Risiko, das von manchen  chemischen Substanzen ausgeht, ist heute nicht mehr so bedeutend wie früher, denn es ist schon lange bekannt und hat zu strengen  Vorschriften im Arbeitsschutz geführt.  In der chemischen Industrie oder im Maler- und Friseurhandwerk  werden solche Chemikalien deshalb heute nur unter hohen Sicherheitsvorkehrungen eingesetzt oder sind gleich ganz verboten.  Allerdings: Blasenkrebs entwickelt sich sehr langsam. Es können 40 Jahre vergehen, bis die Einwirkung der Chemikalie den Krebs auslöst.

Um den Ursachen für die Beschwerden weiter nachzugehen, wird der Arzt zunächst den Urin untersuchen. Liegt ein Infekt der Harnwege vor, verordnet er ein Antibiotikum. Hilft das nicht, kommt der Urologe ins Spiel. Gewissheit wird die Blasenspiegelung bringen.

Allein der Gedanke daran löst bei vielen, eher den meisten Patientinnen und Patienten Gänsehaut aus. „Das ist keine Untersuchung, bei der man sich gleich hinten wieder hintenanstellt, weil es so schön war“, kommentiert Friedhelm B. die Prozedur. Dr. Hinkel räumt ein: „Dass das nicht angenehm ist, ist klar. Aber man muss wirklich keine Angst davor haben.“ 

Was passiert bei der Blasenspiegelung?

Zunächst ist da die Wahl des Instrumentes, des Zystoskops, des „Blasenbetrachters“. Der Klassiker, das abgerundete Metallrohr mit einem Durchmesser von 7 bis 9 mm ist eine Erfindung des 19. Jahrhunderts. Der Dresdner Assistenzarzt  Maximilain Nitze präsentierte das erste urologische Endoskop 1879 in Wien. Die zweite Option ist die „Schwarze Mamba“, ein dünner elastischer Schlauch, der mit einer Kamera verbunden ist.
en Unterschied zwischen den Geräten macht  die Anatomie des Mannes. Die „schwarze Mamba“ ist für den männlichen Patienten angenehmer, da sie den Biegungen der Harnröhre besser folgen kann. Mittlerweile gibt es sowohl starre als auch flexible Zystoskope, die mit einem Arbeitskanal ausgestattet sind, über den Manipulationsgeräte eingeführt werden können.

Durch das Zystoskop, das durch die Harnröhre in die Blase geschoben wird, nimmt der Arzt nunmehr die Blasenschleimhaut in Augenschein. „Die ist normalerweise relativ glatt“, erklärt Dr. Hinkel. Ein Tumor zeigt sich dann zum Beispiel wie ein kleiner Blumenkohl.
Da schädigende Substanzen die Blase an jeder Stelle benetzen, können solche Tumore überall in der Blase sitzen. Und es können sich immer wieder neue entwickeln, an anderer, aber auch an derselben Stelle.

Gerade flache Tumore sind schwer zu erkennen.  Abhilfe schafft die Fluoreszenz-Endoskopie der Blase. Dazu wird die Blasenschleimhaut mit einem Fluoreszenzfarbstoff (Hexaminolävulinat) gespült. Blasenkrebszellen reichern die Substanz an. Wird die Schleimhaut nun mit blauem Licht bestrahlt, leuchten die Tumorzellen rot. Das Verfahren bringt, so Dr. Hinkel, Vorteile für den Patienten, weil sonst bis zu einem Drittel der Tumoren übersehen werden kann, aber es erfordert „die erfahrene Hand“ und sollte „nicht mit der Gießkanne angewendet“ werden.
Hat der Urologe einen Tumor gefunden, so ist die Frage: Wie tief ist er in den Körper eingedrungen?

Tapete, Putz - oder schon in der Mauer?

Zur Erklärung greift Hinkel zu einem Bild: Die Harnblase ist aufgebaut wie eine Zimmerwand: Die Schleimhaut ist die Tapete, die Bindegewebszone ist der Putz, der Muskel ist die Mauer. Sitzt der Tumor an der Oberfläche wird er wie Unkraut im Garten direkt entfernt.  Nach vier bis sechs Wochen schaut der Arzt dann noch einmal nach, ob alle bösen Stellen beseitigt sind.
Das war es dann erstmal. 
70 bis 80 Prozent aller Tumore können so behandelt werden, bei regelmäßiger Kontrolle sind die Heilungschancen gut.

Anspruchsvoller wird die Therapie, wenn ein Tumor sich in die Muskulatur gefressen hat. Dann ist das Ausschälen nicht mehr ausreichend. Es droht die Streuung der Krebszellen in den Körper. Die Standardtherapie ist dann die Entfernung der gesamten Harnblase. Und wie geht es dann weiter?

Drei Alternativen für die Harnableitung

Bei der einfachsten Form der nun notwendigen operativen Harnableitung werden die Harnleiter direkt an die Haut eingepflanzt (Harnleiter-Haut-Ausgang). Der Urin wird kontinuierlich aus den Nierenbecken über die Harnleiter bis zu ihrer Mündungsstelle in der Haut transportiert. Ein selbstklebendes Beutelsystem zum Abfangen des Urins an die Bauchdecke angebracht.
Mit einer anderen Technik wird der  Harnleiter in das eine Ende eines Darmsegments eingepflanzt. Das andere Ende wird in der Bauchdecke ausgeleitet. Der Urin fließt kontinuierlich von den beiden Harnleitern in das Darmsegment und über ein Stoma nach außen ab, wo er in einem an die Bauchdecke angeklebten Beutelsystem aufgefangen wird.

Die aufwändigste Methode ist die Formung einer neuen Harnblase. Dazu schneidet  der Urologe zunächst ein Stück des Dünndarms heraus. Aus dem rohrförmigen Darm formt er dann eine Platte, die an ihren Außenkanten vernäht wird. Dieses neue Reservoir wird im oberen Bereich mit den Harnleitern, im unteren Bereich mit der Harnröhre verbunden. Da der Schließmuskel erhalten bleibt, muss der Patient nur lernen, die Blase leer zu drücken. Das neue Reservoir kann zudem mit einem Schleimhaut-Ventil ausgestattet werden.

Die Klinik von Dr. Hinkel bietet alle drei Methoden an. Mit einem deutlichen „aber“: Man muss im Einzelfall gut abwägen, ob sich die Technik der neuen Blase für den Patienten eignet. Hinkel: „Da legen wir die Messlatte hoch, weil wir die Komplikationen kennen.“

Für Friedhelm B. blieben all diese Erwägungen zu seiner großen Erleichterung theoretisch. Das Blut in seinem Urin stammt aus Krampfadern am Blasenhals als Folge einer gutartig vergrößerten Prostata.

 

Kontakt: Dr. Andreas Hinkel
Chefarzt der Klinik für Urologie | Prostatazentrum
Telefon: 0521 589-1401
E-Mail: urologie@franziskus.de

 


 
Episode 2: Auf dem Rückweg zur Normalität | PD Dr. Heiko Schotte

Chefarzt Privatdozent  Dr. Heiko Schotte macht sich Gedanken. Natürlich um die fachgerechte und gute Versorgung der Patientinnen und Patienten im Franziskus Hospital. Sowieso. Was ihn derzeit aber noch mehr bewegt, ist die mit Zahlen belegbare Vermutung, dass viele Menschen zu Haues bleiben. Nicht zum Arzt gehen und ihre Leiden verschleppen. Das kann im Extremfall tödlich enden. Genauso tödlich  wie eine schwer verlaufende Covid-19 Infektion.

Der bundesweite Trend, den Arztbesuch zu meiden, ist auch an der Entwicklung der Behandlungszahlen im Franziskus-Hospital abzulesen. Wie gefährlich das ist, illustriert Heiko Schotte am Fall eines Patienten: Ralf W. (Name geändert) ein mit Mitte 40 noch junger Mann, war mit einem zunächst recht banalen bakteriellen Infekt zu Hause geblieben. „Die sich daraus entwickelnde Lungenentzündung ist dann erst sehr spät behandelt worden“, bedauert Schotte. Ralf W. war aus Angst vor Ansteckung nicht zum Arzt gegangen. Die Ärzte, die ihn in bereits kritischem Zustand in ihre Obhut nahmen, konnten dann im Verlauf eine Blutvergiftung und deren Folgen  (septisches Multiorganversagen) nicht mehr verhindern.. Das besonders Tragische an dem Fall: Es war nicht Covid-19, der Patient war nicht mit Corona-Viren infiziert, alle Tests zeigten ein negatives Ergebnis.

Nur spekulieren kann der Chef der Klinik für Allgemeine Innere Medizin über die gesundheitlichen Folgen des Rückgangs bei den   Patientenzahlen   für     Herz-

oder Schlaganfallpatienten. Hatte sich doch in den letzten Jahren in der Bevölkerung zunehmend ein Bewusstsein dafür herausgebildet, dass man keine Zeit verlieren darf, wenn man Druck oder Schmerzen auf der Brust spürt oder äußere Anzeichen eines Schlaganfalls feststellt. „Doch die Menschen haben Angst und solche Sorge vor Ansteckung, dass sie sich selbst gefährden“, fürchtet Schotte.

Ansteckungsrisiko im Krankenhaus ist minimal

„Dabei ist das Ansteckungsrisiko im Franziskus Hospital verschwindend gering“, sagt Dr. Schotte und ergänzt: „Dafür treiben wir einen immensen Aufwand.“

Zum Beispiel wurde eine komplette Normalstation zur Infektionsstation mit 26 Betten umfunktioniert. Insgesamt werden für den Bedarfsfall  23 Beatmungsplätze vorgehalten.

Anfangs, so berichtet Schotte, seien Desinfektionsmittel und Schutzkleidung für das Personal „extrem kontingentiert“ gewesen. Aber nicht zuletzt dank großzügiger Spenden aus der Bielefelder Industrie sei die Klinik durchgehend relativ gut versorgt gewesen: „Für die Spenden sind wir sehr, sehr dankbar, weil wir einen immensen Ressourcenverbrauch haben.“

Das Versorgungssystem im Klösterchen, so nennen die Bielefelder das Franziskus-Hospital, war bislang zu keinem Zeitpunkt der Epidemie überlastet. Bisher sind acht Corona-Patienten, davon vier zeitgleich versorgt worden. Die im Verhältnis zu den vorgehaltenen Betten eher geringe Zahl der Patienten – ein Faktor, der auf alle Bielefelder Kliniken zutrifft –ist für den Chefarzt kein Anlass für Kritik: „Keiner wusste doch, was da auf uns zukommen würde, und wir wären auch mit viel größeren Fallzahlen fertig geworden.“ Auch der Geschäftsführer des Franziskus-Hospitals, Dr. Georg Rüter, äußert sich in einem Beitrag für die Juni-Ausgabe der Fachzeitschrift „Das Krankenhaus“ lobend über das Krisenmanagement in Deutschland. Auch wenn sich im Rückblick über Details der Ausgestaltung streiten lasse, bleibe festzuhalten, „dass der Rettungsschirm die personelle, infrastrukturelle und auch finanztechnische Funktionstüchtigkeit der Krankenhäuser flächendeckend sichergestellt hat.“

In einem, wie Privatdozent Dr. Schott betont, „vorläufigen“ Fazit, denn die Tendenz der rückläufigen Fallzahlen könne sich jederzeit umkehren, zeigt sich der Chefarzt auch mit der Teamarbeit im Zeichen von Corona zufrieden: „Alle Mitarbeitenden, die anfangs natürlich auch große Angst vor Ansteckung hatten, haben im Umgang mit den Patientinnen und Patienten zunehmend an Sicherheit gewonnen. Dazu haben viele Schulungsmaßnahmen beigetragen. „Jenseits der unmittelbaren therapeutischen Aufgaben haben wir unter anderem das An- und Ausziehen geübt und Reinigungsverfahren standardisiert, damit keine Keime verschleppt werden konnten. So konnten sich alle Beteiligten immer mehr auf die Versorgung der Patienten als auf den Eigenschutz konzentrieren.


Krisenstab für die interdisziplinäre Abstimmung 

 „Jeden Morgen hatten wir eine Krisenstabssitzung, in der die aktuelle Entwicklung diskutiert worden ist. Das Therapieregime ist von einem interdisziplinären ärztlichen Interventionsteam abgestimmt worden. „Unser Wissen steht ja noch am Anfang“, so Schotte. „Wir haben aber jeden Tag neue Erkenntnisse über die Krankheit gewonnen, die unser Tun beeinflussen. So hat sich unser Augenmerk zum Beispiel auf die Kaskade der Blutgerinnung und die Blutverdünnung gelegt.  Wir lernen gerade, mit Augenmaß zwischen Vorbeugung und therapeutischer Intervention in der Gerinnungshemmung zu entscheiden. Wir haben durchaus schwere Verläufe bei jungen  Patienten, Thrombosen der großen Blutgefäße und einen schweren Schlaganfall unter der Beatmungstherapie gesehen. Eine Verharmlosung der neuen Krankheit ist keinesfalls angebracht.“  

Zunächst ist der Isolationsbereich im Franziskus-Hospital wieder drastisch reduziert worden, Besucher können ihre kranken Angehörigen wieder besuchen, die Versorgung auch mit planbaren Behandlungen wird wieder hochgefahren.

Vor diesem Hintergrund ist der Appell des Arztes zu verstehen, dass Patientinnen und Patienten auf ihren Körper hören und ernste Krankheitssymptome nicht aus Angst vor der Infektion  ignorieren sollten.

 

Kontakt: 
PD Dr. med. Heiko Schotte
Chefarzt der Klinik für Allgemeine Innere Medizin
Tel. 0521 589-1101
heiko.schotte@franziskus.de

 

Porträt von Dr. Heiko Schotte an einem Computer
Episode 3: Keine Therapie ohne Diagnose | Prof. Dr. Michael Schnabel

Ob Rücken oder Knie, Schulter oder Ellenbogen: Unsere Knochen halten den Körper aufrecht und zusammen. Die Gelenke machen ihn beweglich.Mit zunehmendem Alter kommen dann irgendwann die Schmerzen. Mal schwächer, mal stärker. Mal gehen sie vorüber, mal werden sie zur alltäglichen Qual. Was tun? Prof. Dr. Michael Schnabel, Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Wirbelsäulenchirurgie hat da ein paar Ratschläge, die garantiert helfen.   

Sein erster und wahrscheinlich wichtigster: Den Schmerz als Warnzeichen des Körpers ernst nehmen und lieber früher als zu spät einen Arzt zu Rate ziehen. Denn: Früh festgestellt drohen weniger gravierende Schäden, die Erfolgsaussichten einer Behandlung sind höher.
Was darf der Patient dann von seinem Arzt erwarten? Prof. Schnabel: „Wenn der „Patient“, der  „Leidende“, ein gesundheitliches Problem hat, muss der Arzt schauen, ob er die Ursache findet. „Am Anfang jeder Behandlung stehen die Abfrage der Krankengeschichte und die körperliche sowie apparative Untersuchung, die zusammen zur Diagnose führen.“

Der Schmerz kann sehr viele Ursachen haben  

Jede Behandlung beginnt also mit einem Gespräch. Noch gibt es keinen Anlass für das arzt-typische Kommando: „Machen Sie sich dann bitte mal frei.“ Der Doktor wird den Patienten zunächst gründlich zu seinen Beschwerden befragen. Wo tut es weh, seit wann tut es weh, in welchen Situationen tritt der Schmerz auf?

Anschließend wird er ihn oder sie „klinisch untersuchen“. Dieser gängige Begriff bedeutet nicht etwa, dass die Untersuchung im Krankenhaus, also in der „Klinik“ stattfindet, sondern dass der Arzt den Patienten mit „all seinen Sinnen“ untersucht. Dazu gehört natürlich der Tastsinn. Das Klischee: Wenn der Patient bei der körperlichen Untersuchung auf die Arztfrage „Tut das weh?“ aufjault, ist der Doktor womöglich auf der richtigen Spur. So einfach ist das leider nicht, wie das Beispiel der klinischen Untersuchung bei Rückenschmerzen zeigt. Sind die Schmerzen stark bei Bewegung aber im Liegen nicht vorhanden, lässt das eher an einen Bruch aufgrund einer Osteoporose oder womöglich Absiedlungen eines bösartigen Tumors an anderer Stelle denken. Sind die Schmerzen hingegen stärker im Liegen und bessern sich mit Bewegung, denkt man eher an einen Bandscheibenschaden. Kann der Patient nur noch 30 Meter laufen, liegt womöglich eine Verengung des Spinalkanals vor, hat der Patient ein taubes Gefühl in den unteren Extremitäten kommt wieder eher ein Bandscheibenschaden in Betracht. Immer muss der Untersucher „rote Flaggen“ also Warnzeichen beachten, zum Beispiel Muskelschwächen und Nervenschäden ausschließen. Das alles umfasst ein sehr weites Spektrum.   

"Und“, so betont Professor Schnabel, „das kostet Zeit. Und daran hapert es oft, denn bezahlte Zeit steht den Ärzten oft nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung.“ Was aus seiner Sicht hilft, sind eine gut organisierte Praxis und Mitarbeiter(innen) für die Dokumentation der Ergebnisse.  Jeder Patient, der unter Rücken- oder Gelenkschmerzen gelitten hat oder noch leidet weiß zudem, dass er wahrscheinlich früher oder später vor dem Röntgenschirm oder im MRT-Tunnel landet. Die bildgebenden Verfahren, wie die Methoden genannt werden, die den Blick in das Innere des Körpers ermöglichen, vermitteln dem Arzt nämlich mehr diagnostische Sicherheit.

Realistische Therapieziele benennen und besprechen

 Prof. Schnabel warnt indes davor, sich auch als Patient auf die vermeintlichen Ergebnisse der Bilder zu verlassen: „So einfach ist die Diagnostik eben nicht. Es muss mir gelingen, die Beschwerden des Patienten, seine Krankengeschichte, den klinischen Befund und die Bilder zu einem übereinstimmenden Ergebnis zu bringen. Ich muss, wie wir das nennen,  „Konklusivität“ herstellen. Erst dann habe ich die Möglichkeit zu behandeln.“  Um zu dieser Übereinstimmung zu kommen „gehe ich gerne zu unserem Radiologen“, sagt Schnabel, „um dessen technisches Wissen und seine Expertise für das Bild mit meiner Expertise für die Anamnese und den klinischen Befund abzugleichen.“

Habe ich die Diagnose, die mit den Beschwerden des Patienten übereinstimmt, muss ich sie, für meinen Patienten nachvollziehbar, vermitteln. „Wo ist das Problem, was kann man tun, wohin führt das? „Es bedarf hier einer laienverständlichen Sprache, die etwas Unschärfe hineinbringt, um das dann dem Patienten nahebringen zu können.“

Der nächste Schritt ist, gemeinsam mit dem Patienten die Therapiemöglichkeiten zu besprechen. Schnabel: „Dabei geht es darum, realistische Ziele zu benennen, die Patienten müssen wissen: Was kann ich eigentlich erwarten?’“ In er modernen Medizin hat sich für dieses Konzept der Begriff des „Choosing wisely“ (Sei weise bei der Wahl der Therapiemöglichkeiten.) etabliert.

Der letzte Schritt bei der Behandlung von Rücken- und Gelenkschmerzen ist für Prof. Schnabel die Erfolgskontrolle: Gelingt alles, „wäre es schön, vom Patienten mal eine Rückmeldung zu bekommen“, wünscht sich Der Arzt. Und wenn die für Arzt wie Patienten unangenehmere Entwicklung eintritt, dass der gewünschte Therapieerfolg sich nicht einstellt? „Dann“, so der erfahrene Chefarzt, müssen wir Ärztinnen und Ärzte in der Bereitschaft schulen, eigene Fehler zu akzeptieren, unsere Arbeit zu hinterfragen und nicht gleich den Patienten verantwortlich machen.“

 

Kontakt: 
Prof. Dr. Michael Schnabel
Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie, Wirbelsäulenchirurgie
Tel. 0521 589-1301
michael.schnabel@franziskus.de

 

Prof. Dr. Michael Schnabel hält ein anatomisches Modell einer Wirbelsäule und eines Beckens
Episode 4: Moderne Steuertechnik ermöglicht optimale Bestrahlung bei Brustkrebs | Prof. Dr. Oliver Micke

Medikamente, Stahl und Strahl: Der therapeutische Dreiklang hat auch bei Brustkrebs nach wie vor Gültigkeit. Die Behandlung mit Arzneimitteln, die Operation und die Bestrahlung sind die häufigsten Behandlungsarten. Auf allen drei Gebieten macht die Medizin große Fortschritte. Auch und gerade in der Strahlentherapie.
Prof. Dr. Oliver Micke, Chefarzt der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologe und sein Team können zum Beispiel neue Techniken nutzen, die die kranken Krebszellen abtöten, dabei aber die gesunden Zellen von Herz und Lunge schont: Die „Bestrahlung in tiefer Einatmung“ und die „Bestrahlung in Bauchlage“.

Die eine Standardtherapie, die für jede Patientin passt, gibt es schon lange nicht mehr. So individuell wie jede Frau, so individuell ist ihr Brustkrebs. Ist die Krankheit noch nicht fortgeschritten, kann bei immer mehr Frauen der bösartige Tumor brusterhaltend operiert werden. Daneben und darüber hinaus gibt es weitere Therapieformen. Chemotherapien, Antihormontherapien und zielgerichtete Therapien. Diese wirken im gesamten Körper. In den meisten Fällen ergänzt eine Bestrahlung die Operation, um kleinste restliche Tumorzellen zu zerstören. „Nach einer brusterhaltenden Therapie ist die Nachbestrahlung mittlerweile der Standard“, stellt Prof. Micke fest.

Doch welcher Behandlungsweg verspricht die meisten Vorteile für die Patientin?

Dafür wird, so Prof. Micke, im Brustzentrum des Franziskus Hospitals von der interdisziplinären Tumorkonferenz ein individueller Behandlungsplan nach den neuesten nationalen und internationalen Leitlinien erstellt.Gehört eine Bestrahlung zum Behandlungspfad, kommt dann Prof. Mickes Klinik ins Spiel.
as Prinzip der Strahlenbehandlung: Durch hoch dosierte ionisierende Strahlung (z.B. ultraharte Röntgenstrahlen) wird das Erbmaterial der bestrahlten Zellen geschädigt. Wohlgemerkt aller Zellen, der gesunden wie der Krebszellen. Letztere können sich aber nicht so gut selbst reparieren wie gesunde Zellen. Sie sterben auf Dauer ab.

Im Klösterchen kann Prof. Micke ein hochmodernes Strahlengerät der neuesten Generation plus viel Computertechnik nutzen. Damit kann der Tumor nicht nur erstens gezielt, sondern zweitens auch mit optimal abgestuft modulierten Strahlungsdosen bestrahlt werden, die sogar in Echtzeit auf Bewegungen, z.B. Atembewegungen, der Patientin reagieren.

Dennoch: Die Anatomie setzt Grenzen. Ist die linke Brust der Patientin betroffen, liegt das Herz bei einer Bestrahlung in Rückenlage nun einmal in der Nähe des Strahlenganges. Das bringt, so haben Studien ergeben, Risiken für eine Schädigung des Herzens, besonders der Kranzgefäße mit sich. Die Folgen zeigen sich dabei womöglich erst nach 20 bis 30 Jahren.

„Es ist unser wichtiges Ziel, die Spätfolgen der Strahlentherapie soweit wie möglich zu reduzieren".

Deshalb bietet Prof. Micke Patientinnen mit einem Tumor in der linken Brust in der Regel eine „atemgesteuerte Bestrahlung“ an: Die Patientin atmet tief ein und hält den Atem an. Dadurch vergrößert sich der Abstand des Herzens vom Strahlengang während der Bestrahlung deutlich. Atmet die Patientin wieder aus, schaltet die Strahlenquelle ab. Hat sie wieder das optimale Einatmungsniveau erreicht, setzt das Gerät die Bestrahlung fort. Das Ein- und Ausschalten erfolgt dabei nicht etwa dadurch, dass der Chefarzt auf einen Knopf drückt. Ein optisches lasergestütztes Überwachungssystem, das die korrekte Patientenposition in Echt-Zeit während der gesamten Bestrahlung kontrolliert, übernimmt diese Steuerung. Wie die Analyse von vielen hundert mittlerweile mit diesem System im Franziskus Hospital behandelten Patienten, die auch auf dem Europäischen Strahlentherapiekongress in diesem Jahr vorgestellt wurde, ergab, konnte die Dosis am Herzen halbiert werden und damit statistisch gesehen praktisch kein Risiko eines längerfristigen Herzschadens mehr besteht. Prof. Micke: „Dieses Bestrahlungssystem ist mittlerweile in den skandinavischen Ländern der Standard.“

Eine weitere wichtige Rolle spielt, das hat die medizinische Forschung herausgefunden, wie die Patientin während der Bestrahlung liegt. In Bauchlage werden das Herz und die Lunge zusätzlich geschont. Deshalb hat das Franziskus Hospital als erste Klinik in NRW ein System angeschafft, das die Bestrahlung auch in Bauchlage ermöglicht, was für manche Patientinnen vorteilhaft sein kann. „Wir haben schon einige gute Erfahrung damit gemacht“, erläutert Prof. Micke.

Zusammengefasst: Mit einem hochmodernen Gerätepark, dem dazugehörigen Wissensstand und ihrer Erfahrung können Prof. Micke und sein Team gerade jüngeren Patientinnen mit einem Tumor in der linken Brust die nach dem jetzigen Stand optimale Strahlenbehandlung anbieten.

 

Kontakt: Prof. Dr. Oliver Micke
Chefarzt der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie
Telefon: 0521 589-1801
E-Mail: oliver.micke@franziskus.de

 


 
Episode 5: Jeder Brustkrebs ist anders | PD Dr. med. Roland Csorba

Wie vom Blitz getroffen. Ein abgenutztes Klischee. Doch es umschreibt exakt Gitta S. (58) Gefühlslage. Gerade hat ihre Ärztin ihr erklärt, dass sie einen Tumor, eine Veränderung im Gewebe ihrer linken Brust entdeckt habe. Verdacht auf Brustkrebs. Sie ist ab sofort eine Patientin. Wie in jedem Jahr rund 70.000 Frauen und 700 Männer in Deutschland. Privatdozent Dr. Roland Csorba, Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, erklärt wie es nach der Verdachtsdiagnose optimal weitergeht.Gitta S. Befund war kein Zufall. Sie hatte, wie viele Frauen zwischen 50 und 69 Jahren, an der Reihenuntersuchung zur Früherkennung der Krankheit (Mammografie-Screening) teilgenommen.

Die Eigenschaften der Tumorzellen

Der nächste Schritt zur genaueren Diagnose nach den ersten Bildern war die Entnahme einer Probe aus dem verdächtigen Gewebe, die Biopsie. Denn, so Chefarzt PD Dr. Csorba: „Wir wissen heute: Jeder Brustkrebs ist anders und erfordert einen individuellen Behandlungspfad.“  Grundlage dafür ist deshalb zunächst die Gewebeprobe des Tumors. Die Beschaffenheit des Krebsgewebes gibt Hinweise darauf, wie aggressiv der Tumor ist und wie schnell er wächst. Beide Faktoren werden im sogenannten Grading eingeordnet: 

  • Grad 1: Die Tumorzellen wachsen langsam und regelmäßig angeordnet.
  • Grad 2: Die Zellen wachsen und teilen sich etwas schneller als normale Zellen.
  • Grad 3: Die Tumorzellen wachsen schnell in ungeordneter, unregelmäßiger Verteilung.

Die Gewebeproben des Tumors verraten dem Untersucher darüber hinaus weitere Besonderheiten der Erkrankung.  In vielen Fällen können die Hormone Östrogen und Progesteron das Tumorwachstum anregen. Deshalb prüft der Untersucher inzwischen routinemäßig, ob die Tumorzellen Antennen (Rezeptoren) für die Hormone Östrogen (Er- positiv) und/oder Progesteron (Pr-positiv) haben. Ist das der Fall, kommt eine Therapie in Betracht,  die die Aktivität dieser Hormone mindert. Ein weiterer Faktor ist der „humane epidermale Wachstumsfaktorrezeptor 2, (HER2). Das ist ein Eiweiß, das das Wachstum von Zellen steuert. Bei rund 20 Prozent aller Patientinnen sitzen diese HER2-Antennen dicht an dicht. Die Folge: Die Zellen empfangen Wachstumssignale im Übermaß, so dass sie sich entsprechend heftig vermehren.

Entscheidend für die Heilungsaussichten ist, so PD Dr. Csorba, die Ausbreitung der Krankheit im Körper. Deshalb folgt der Biopsie die Ausbreitungsdiagnostik, das sogenannte Staging. Dazu gehören das Röntgen des gesamten Brustkorbs, der Ultraschall der Leber und die  Darstellung des Stoffwechsels im Skelett (Szintigrafie), um mögliche Absiedlungen des Tumors (Metastasen) zu finden.  Eine weitere wichtige Frage dabei ist, ob Lymphknoten befallen sind oder nicht.

Liegen all diese Informationen vor, wird die Krankheit in die sogenannte TNM-Klassifikation eingeordnet. „T“ steht für den Ausgangstumor. Eine nachfolgende Zahl legt seine Größe und Ausdehnung fest (meist T1 bis T4). „N“ ist die Abkürzung für „Nodus“, das bedeutet Lymphknoten. Die nachfolgende Zahl gibt an, in welchem Ausmaß Lymphknoten vom Krebs befallen sind. „M“ zeigt, ob Absiedlungen (Metastasen) in anderen Organen gefunden wurden (M1) oder nicht (M0).

Die Einstufung des Krankheitsstadiums

Die TNM-Angaben bilden meist die Grundlage der weiteren Einstufung der Krankheit in Stadien von 0 bis IV vergeben. Je niedriger das Stadium, desto besser sind die Aussichten auf ein langfristiges Überleben, auf Heilung gar.

Gitta S. hat alle Befunde mit ihrem behandelnden Arzt besprochen. Ihr Befund liest sich: UICC -Stadium IA: T1 N0 M0, HER2negativ, Er/Pr-negativ. Ein Tumor im Frühstadium.  

Dies alles und mehr der Patientin verständlich zu erklären, ist für den Arzt eine große Herausforderung. Denn oft bestimmt der Schock deren Gedanken. Die Rolle des behandelnden Arztes definiert PD Dr. Csorba folgerichtig umfassend: „Der onkologische Operateur ist Arzt, Künstler, Handwerker, Baumeister, Bildhauer, Restaurator, Psychologe, Alchimist und Reformer in Einem.“ Den häufigsten Wunsch der Patientinnen fasst er aus Erfahrung so zusammen: „Ihnen ist vor allem eines wichtig: Zeit. Sie wünschen sich einen Arzt, der sich die Zeit nimmt zuzuhören und zu erklären. Dabei gilt: Der alte Arzt spricht lateinisch, der junge englisch, der gute Operateur spricht die Sprache der Patientin.“


So viel wie nötig, so wenig wie möglich 

 „In der gynäkologischen Onkologie spielen Erfahrung, innovative Behandlungstechniken und die Reputation in Wissenschaft und Forschung eine wichtige Rolle“, so der Chefarzt weiter.

„Heute“, so PD Dr. Csorba, „operieren wir möglichst brusterhaltend. Das gesunde Brustgewebe bleibt dabei unter Einhaltung eines Sicherheitsabstands erhalten. Neben dem Tumorgewebe werden zunächst nur die sogenannten Wächterlymphknoten entfernt. Es wird also nicht mehr Gewebe entfernt, als wirklich notwendig ist.“

Muss doch die komplette Brust entfernt werden, kann sie, so Csorba, „in der gleichen Sitzung oder frühestens nach sechs Monaten rekonstruiert werden.“ Nach der Operation wird die Brust zusätzlich bestrahlt. (Siehe September-Ausgabe). „Das senkt, so der Chefarzt, das Risiko eines lokalen Wiederauftretens (Rezidiv) von 30 auf 5 Prozent.“ Weiter folgt, je nach Tumorbeschaffenheit, eine Chemotherapie und/oder Antikörpertherapien. Das Behandlungsziel ist, möglichen Metastasen keine Chance zu lassen und sie zu vernichten.

In Fällen, in denen sich bereits Metastasen in anderen Organen gebildet haben, ist die Behandlung nicht mehr auf Heilung ausgerichtet (kurativ) sondern darauf, der Patientin ein möglichst gutes Leben mit dem Krebs zu ermöglichen (palliativ). Dann ist die alleinige Bestrahlung eine Therapieoption.

Die Heilungsaussichten sind natürlich für Patientinnen die wichtigste Frage. Man kann sie, so PD Dr. Csorba, kurz statistisch beantworten: Die durchschnittliche 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei 80 bis 85 Prozent. Doch Statistik ist kompliziert und bedarf der Interpretation. Eines lässt sich allerdings sagen: Die Heilungsaussichten sind desto besser, je eher der Tumor erkannt und behandelt wird.

 

Kontakt: PD Dr. Roland Csorba
Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
Telefon: 0521 589-1501
E-Mail: roland.csorba@franziskus.de

 


 
Episode 6: Die bildgebenden Verfahren sind das Navi der modernen Medizin

Buscopan oder Lebensgefahr? - Die bildgebenden Verfahren sind das Navi der modernen Medizin

Am Abend des 22. Dezember 1895, es war übrigens ein Sonntag, war es für Wilhelm Conrad Röntgen womöglich nur ein kleiner Schritt:  Er zeigte seiner Frau Anna Bertha eine Aufnahme des Inneren ihrer Hand. „Ich habe meinen Tod gesehen“, soll sie später dazu gesagt haben. Doch die Aufnahme ihrer Handknochen war nicht ihr Tod, sondern ein großer Sprung für die Menschheit. Heute sind Röntgenaufnahmen und die anderen „bildgebenden Verfahren“, wie sie genannt werden, aus der medizinischen Diagnostik nicht mehr wegzudenken.  Für Prof. Dr. Jakub Wiskirchen, Chefarzt der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin im Franziskus Hospital Bielefeld, erschließen sich auch heute noch immer neue Anwendungsgebiete.

Aktuell Sorgen bereitet dem Radiologen wie seinen Kolleginnen und Kollegen in den meisten Kliniken ein Phänomen, das er als „Bremsspur der Pandemie“ bezeichnet.

Sein aktuelles Beispiel: Eine Patientin, gerade 42 Jahre alt, leidet schon seit Monaten unter Bauchschmerzen. Aus Angst vor einer Covid-Ansteckung, vielleicht spielen auch noch andere Gründe eine Rolle, meidet sie den Gang zum Arzt. Bis die Schmerzen überhand nehmen. Professor Wiskirchen untersucht sie in der „Röhre“, dem gerade neu aufgestellten Kernspintomografen im Franziskus Hospital. Vorteil der Technik: Sie nutzt keine ionisierenden Strahlen. Nachteil: Sie ist zeitaufwändig.

Schon im ersten Untersuchungsdurchgang, der ersten „MRT-Sequenz“, zeigen sich auf den vom Computer erzeugten Schnittbildern deutlich sichtbare Metastasen, Absiedelungen eines bösartigen Tumors in der Leber.

Wie entstehen solche Bilder aus dem Inneren des Menschen? Die MRT-Technik – von der Röntgen noch nichts ahnen konnte – nutzt eine Eigenschaft der Wasserstoffatome im menschlichen Körper. Die sind nämlich magnetisch. Liegen Patientin oder Patient im Gerät, erzeugt das Gerät ein sehr starkes Magnetfeld. Davon spürt man aber nichts. Das Magnetfeld richtet einen Teil der ungeordneten Wasserstoffatome des menschlichen Körpers parallel zueinander aus. Dann werden sie mit einem elektromagnetischen Hochfrequenzsignal, einer Form von Radiowellen, bestrahlt. Kurz danach nehmen sie wieder ihren natürlichen geordneten Zustand ein. Während dieses Vorgangs werden, je nach Struktur und Wassergehalt des Gewebes, unterschiedliche Signale ausgesendet. Aus diesen Signalen errechnet der Computer dann ein MRT-Schnittbild.  

Scharfe Bilder bei freier Atmung

Die Metastasen gaben Veranlassung, nach der Ursache, dem Primärtumor zu suchen. Dazu mussten weitere sogenannte Sequenzen laufen. Natürlich kann kein Patient im MRT minutenlang den Atem anhalten. „Hier zeigt sich der technische Fortschritt bei der MRT“, sagt Wiskirchen mit Blick auf sein neues Gerät: „Wir können jetzt mehrere Sequenzen bei freier Atmung laufen lassen.“ Die Lageveränderungen der Körperstrukturen, die wir sehen wollen, werden jetzt vom Computer herausgerechnet. „Wir bekommen auch von unruhigen Patienten gestochen scharfe Bilder.“

Im Fall der noch relativ jungen Patientin zeigte sich ein Tumor am Übergang zwischen dem Corpus und dem Schwanz der Bauchspeicheldrüse. Dazu der Radiologe: „Oft sind es eben unsere Bilder, die zweifelsfrei den Unterschied zeigen zwischen Buscopan und Lebensgefahr, zwischen der Einnahme eines Schmerzmittels oder der Notwendigkeit einer Operation.“

Die Geräte im Franziskus kann Professor Wiskirchen mittlerweile auch auf Gebieten einsetzen, die vormals sogenannten „invasiven“ Verfahren vorbehalten waren, Verfahren also, bei denen durch die Haut in den Körper eingedrungen werden musste um eine Diagnose zu treffen.

Sein Beispiel: Die Diagnostik bei Herzbeschwerden. Auf den Streit, ob in Deutschland zu viele Herzkatheter-Untersuchungen stattfinden, mag er sich gar nicht einlassen. Er verweist kühl auf die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung. Er mag auch nicht kommentieren, dass laut dem Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) im Jahr 2017 bei rund 45 Prozent der Patienten, bei denen ein Herzkatheter durchgeführt wurde, die geltenden Leitlinien nicht beachtet wurden. Das ist aus Patientensicht durchaus bedenklich, denn der Herzkatheter ist nicht ohne Risiken: Da ist die Belastung durch Röntgenstrahlen, zudem können lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen, Blutungen oder ein Schlaganfall den Patienten gefährden.

Was also sagen die Leitlinien: Dort heißt es: Je nach Krankheitsbild können eine MRT oder ein CT als Voruntersuchungen erforderlich sein. Besonders verwiesen wird auf die „Stress-MRT“.

Leitlinien fordern Voruntersuchungen

 „Die von den Leitlinien geforderten nicht-invasiven Voruntersuchungen vor einem Kathetereingriff können wir mit unseren Geräten leisten“, sagt Prof. Wiskirchen. Vereinfacht ausgedrückt: Bei der Abschätzung des Gesundheitsrisikos hat die Computer-Tomografie der Herzkranzgefäße einen sehr hohen negativen Vorhersagewert. Schwächer ist das Verfahren bei der Einteilung des Ausmaßes einer Verengung. Dafür bietet sich dann das Stress-MRT an, das allerdings erheblich mehr Zeit in Anspruch nimmt. Dabei wird die Durchblutung des Herzmuskels einmal in Ruhe und dann unter medikamentöser Stimulation, unter Stress also, gemessen. Hierfür wird dem Patienten ein Kontrastmittel zugeführt und es werden schnelle Mess-Sequenzen von der Durchblutung der linken Herzkammer, die das Blut in den Körper pumpt, durchgeführt. Prof. Wiskirchen: „Da werden dann die Engstellen sichtbar.“

Und wie wird sich die Zukunft der bildgebenden Verfahren entwickeln? Dazu Prof. Wiskirchen: „Die Nutzung der Bildgebung wird zunehmen. Die Technik wird noch mehr Bild-Datensätze ermöglichen, dennoch wird die Zahl der Befunde stagnieren, denn der Mensch stellt hier den begrenzenden Faktor dar. Fortschritt wird dann noch durch den Einsatz von Algorithmen und künstlicher Intelligenz möglich sein. „Da werden wir noch viele neue Helferlein bekommen!“  Wilhelm Conrad Röntgen wäre wohl zufrieden.

 

Kontakt: Prof. Dr. Jakub Wiskirchen
Chefarzt der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin
Telefon: 0521 589-1701
E-Mail: jakub.wiskirchen@franziskus.de